Die Industriestadt Nowa Huta (Neue Hütte) wurde in den 1950ern von den Kommunisten angelegt, um ein Gegengewicht zur alten polnischen Königsstadt Krakow zu schaffen und ihren liberalen Charakter zu zerstören. Ihr Zentrum war der Leninplatz.
Heute: Von der Leninstatue dort ist dankenswerterweise keine Spur geblieben und die Straßenschilder mit dem neuen Namen des Platzes verleihen sogar der sozialistisch-realistischen Architektur ein wenig Würde.
Für solcherlei Verbesserungen gibt es auch in Berlin einen geeigneten Kandidaten.
Aber! Hier in Deutschland lautet die Geschichtslektion doch etwas anders: Gorbi hat uns gerettet, Ronald hätte den Knopf gedrückt, die DDR hat sich von allein entsorgt ….
Kulturrevoluzzer, ja?
Spuren tilgen, die zur Geschichte gehören wie König und Lenin zu Polen? Als sie Saddam vom Sockel herunterholten, da war das die klassische Siegergeste, ein symbolischer Racheakt eigentlich, gefeiert, dem Augenblick angemessen: ‚Quote of the moment‘ …
Weil Du aber das in Krakau ‚glücklicherweise‘ entsorgte Lenindenkmal ansprichst: Ich finde, man sollte sie eher verhunzen, die Typen, aber stehenlassen, als Mahnmal sozusagen. Künstler beauftragen, die nachträglich das aus ihnen machen, was sie waren: Tyrannen. Das fände ich zeitgemäss, offen und ehrlich – sie einfach verschwinden zu lassen, dagegen billig und falsch. Und was Du als das ‚Verleihen von Würde‘ an sozialistische Architektur bezeichnest, halte ich für arg parteiische Tünche. Haben die Polen denn keine eigenen Bürgerrechtler, Freiheitshelden – dass sie zu ‚Ronaldo Reagana‘ greifen müssen? Ich kann mir nicht helfen: ich finde es albern (oder nur wenig selbstbewusst?), auf diese Weise Westbindung demonstrieren zu wollen …
PS: In der Grünanlage namens ‚Marx-Engels-Forum‘ sitzen/stehen zwei berühmte Männer: achtbare Urväter des wissenschaftlichen Kommunismus, denen man die verunglückten Praxis-Tests schlecht vorwerfen kann; als solche stören sie mich nicht – auch wenn sie mir vom Ästhethischen her gestohlen bleiben können ;-) …
Das Interessante war ja immer, dass sie weggesehen haben vom Plalast der ersten (und hoffentlich auch letzten) sozialistischen Republik auf deutschem Boden. Väter, die ihre missratene Blage nicht anerkennen wollten, sozusagen.
Ich denke, es wird mehr als ein paar Plätze und Straßen in Berlin brauchen, um auch in Deutschland die Spuren des (täglichen) Sozialismus zu beseitigen…
In Köln in der Nähe vom Opernplatz spielt mittags schon seit Ewigkeiten die Marseillaise als Glockenspiel. Meine Heimatstadt ist zwar von napoleonischen Trupppen länger besetzt worden, so tiefe Spuren hat das aber auch nicht hinterlassen.
Warum sollen dann die Polen nicht eine Straße nach Ronald Reagan benennen?
In Chile ist seit diesem Jahr der Reformationstag offizieller Feiertag. Die haben also 1 Tag frei, weil fast 500 Jahre vorher fast 10.000 km entfernt Martin Luther seine Thesen gemeisselt hat. Um Rechnung zu tragen, dass da nicht mehr alle katholisch sind sondern die Evangelikalen inzwischen viele Anhänger haben. Glaub eher nicht, dass die Evangelikalen so wahnsinnig viel mit Luther zu tun haben. Es war wohl ein aus chilenischer Sicht eher unverfängliches Ereignis des Protestantismus.
Find es eigentlich eine gute Entwicklung, dass ein paar Denkmäler von der Nation abgekoppelt sind.