Die Partei habe gar kein Personalproblem, sondern ein Problem mit den Inhalten, läßt der Dahrendorf-Kreis die Bombe platzen.
Au Backe! Bisher dachten die meisten ja noch, Westerwelle habe seine Partei zur Fast-Drei-Prozent Partei gemacht. Aber alles ist noch viel schlimmer. Schuld sind die Inhalte, die die Bevölkerung gewissermaßen falsch aufgenommen habe, obwohl sie von der Führung selbstverständlich richtig kommuniziert wurden. Na dann gute Nacht, Marie.
Schlimmer als die Diagnose, liest sich nur der Therapievorschlag des Dahrendorf-Kreises, weil er offenbart, dass es mit dem Respekt vor dem geistigen Eigentum anderer Leute selbst in der FDP wohl nicht mehr weit her ist: „Gesellschaftlicher Fortschritt ermöglicht Teilhabe für alle Mitglieder der Gesellschaft“, denn „richtig verstandener Liberalismus steht für viel mehr“, auch für „ökologische und soziale Marktwirtschaft“.
Dann bemühen die Autoren tatächlich auch noch das Sprachbild „roter Faden“ um ihre Idee vom „ganzheitlichen Liberalismus“ zu propagieren. Sie haben richtig gelesen: Die FDP müsse den „roten Faden“ ihrer Politik vermitteln.
Ich bin sicher, dass sich dieses Motiv wie ein roter Faden (sorry, zu verlockend) durch das Diskussionspapier zieht, das man als Notiz auf dem Facebook-Profil der EP-Abgeordneten Nadja Hirsch lesen kann. Ich kann es aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich bin nämlich nur bis zur ersten Überschrift nach der Präambel gekommen, bevor mir vor Lachen die Tränen in die Augen stiegen. Achtung:
„Mehr Demokratie wagen, Lebenschancen geben!“
Die schämen sich wohl für gar nichts.
Hier der Link zum Diskussionspapier: http://blog.christophgiesa.de/2011/01/zuruck-zu-den-liberalen-wurzeln-ein.html
Und dieses Zitat von Ludwig Erhard an die Adresse derjenigen, die eins ums andere Mal vom Sozialen im Liberalismus schwätzen, damit stets den „gerechten Staat, der für seine Bürger sorgt“ meinen – und sich dabei auch noch an Erhards Begriff der sozialen Marktwirtschaft vergreifen.
Danke, Jo@chim.
Endlich liefert sich die FDP mal ein paar öffentliche Flügelkämpfe. :-)
Ich bin gerade eben das erste mal auf die Seite gekommen. Gefaellt mir sehr.
Du hast die Praeambel gelesen? Ich hab hier schon aufgehoert:
von Nadja Hirsch, Gesine Meissner, Alexander Alvaro, Dr. Jorgo Chatzimarkakis, MdEPs; Sebastian Körber, Miriam Gruß, MdBs und Christoph Giesa
Der Spruch von Erhard stammt aber aus einer Zeit, in der praktisch Vollbeschäftigung herrschte. Die haben wir heute nicht mehr (und zwar hauptsächlich aufgrund externer Einflüsse), und deshalb muss halt realistischerweise irgendjemand dafür sorgen, dass die Leute, die keine Arbeit haben, nicht verhungern. Und der Widerspruch in „kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen“ ist nur scheinbar, da der „Bürger“ in dieser Aussage nur ein statistisches Konstrukt ist — in Wirklichkeit wird das Geld nur bestimmten Bürgern abgenommen und anderen Bürgern gegeben.
die F.D.P. ist selbst nicht mal mehr als harmlose chancenlose unter-5-prozent-protestpartei wählbar.
da vollkommen unglaubwürdig.
die rettungsversuche sind wirklich die peinlichkeit obendarauf.
das ludwig erhard zitat ist hinsichtlich der aktuellen gigantischen staatsverschuldung rührig.
Super. Ich liege am Boden.
Bahr, Lindner und Rösler fordern in der FAZ mehr Programmatik für die FDP. Und übersehen dabei, dass die Partei für ein überzeugendes Programm gewählt worden ist. Doch nicht nur Westerwelle, sondern das gesamte liberale Personal der Partei hat sich von CSU und CDU bis zur Besinnungslosigkeit vorführen lassen. Um die zerfetzte Glaubwürdigkeit durchzusetzen, bräuchte es nicht die Diskussion neuer Programme sondern die Durchsetzung derjenigen, für die die Partei gewählt worden ist. Aber das traut dem handelnden Personal keiner mehr zu und das ist das Problem.
http://fdogblog.wordpress.com/2011/01/04/nicht-das-programm-das-personal-ist-das-problem/#more-3844
@ multi_io:
„Die [Vollbeschäftigung] haben wir heute nicht mehr (und zwar hauptsächlich aufgrund externer Einflüsse)“
Ist das so?
Zum Thema BIP/Kopf-Durchschnittsmensch: Du hast natürlich recht. Ein Ökonom interessiert sich in erster Linie für die Summe der Einkommen (individuelle Schicksale sind nicht analysierbar).
Aber: Schätzt du Erhardt als jemanden ein, der seinen Nachbarn skrupellos verhungern ließe?
Es geht eher um die Frage: Wie, und wie viel? (Die damals vermutlich noch nicht so aktuell war, auch aufgrund der Tatsache, dass Deutschland damals nicht über beide Ohren verschuldet war).
„in Wirklichkeit wird das Geld nur bestimmten Bürgern abgenommen und anderen Bürgern gegeben“
Ah, ich verstehe: Liberale unterstellen den statistischen Menschen, linke wollen ihn erschaffen :)
Fast Dritte Partei würde eher passen.
@F.Alonzo:
Erhard ist nicht alle Menschen, und bis jetzt sind noch in jedem Land ohne soziales Sicherungsnetz mit gewissem Mindeststandard früher oder später Menschen verhungert. Die Frage ist auch, was man unter einem „Wohlfahrtsstaat“ genau verstehen will (bzw. was Erhard darunter verstand). Ein allumfassender Fürsorgestaat, der möglichst jedes Wehwehchen per Umverteilung aus der Welt schaffen will, ist sicherlich nicht wünschenswert, aber es sollte in einem reichen Land wie Deutschland möglich sein, jedem Bürger ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Übrigens, völlig OT: Dieser Webserver ist offenbar fehlkonfiguriert. Bei einer bestimmten Chrome-Instanz auf meinem Laptop kriege ich diese Seite in einer Tage alten Version aus dem Browsercache (mit 5 Kommentaren statt 12) ausgeliefert. Der Browser schickt den GET auf die Artikel-URL standardkonform mit „If-Modified-Since: Sun, 02 Jan 2011 09:22:58 GMT“, der Server antwortet 304 Not Modified.
@multi_io
Das Problem ist seit Ewigkeiten bekannt aber Jo@chim weigert sich (aus reiner Boshaftigkeit) es zu beheben.
Nicht Boshaftigkeit – Ignoranz :P
Das ist der liberale Durchbruch.
Ich vermag nicht zu erkennen, warum sich der Staat jetzt auch noch mit dem dubiosen Begriff der Lebenschancen mit den Ansprüchen derjenigen identifizieren sollte, welche aus Mangel an Fleiß oder Befähigung gerechterweise über weniger Einkommen verfügen. Unsere Gesellschaft wird nicht vorankommen, wenn die Mittelschicht mit immer neuen Begründungen für die Wohlstandswünsche der weniger Fleißigen drangsaliert bzw. mit hohen Steuern wirtschaftlich stranguliert wird. Das ist meine tiefste Überzeugung.
Das Letzte, was der FDP heute hilft, wäre ein Abrücken von der Erfolgsformel der letzten Bundestagswahl. Das ausausgegorene Papier des Dahrendorfkreises ist nicht etwa hilfreich, sondern kann als Ausdruck innerer Zerrissenheit der FDP vom politischen Gegner bejubelt werden.
Wenn ein Parteischiff in schwere See gerät, dann ist es eine politische Dummheit, wenn die Mannschaft chaotisch wie ein wilder Hühnerhaufen in die verschiedensten Richtungen läuft und wilde Personal- und Grundsatzdebatten startet. Als Mandatsträger sollte man das wissen.
Das schlimme daran ist, dass ich viele kenne, die meinen mit einer 40-Stunden-Woche schon zur Leistungselite zu gehören. Immerhin arbeite man ja noch. Freitags mittags nach Hause zu gehen und dann den Samstag und den Sonntag bis Montag morgen um 09:00 Uhr frei zu haben, ist für viele schon ein Leistungsnachweis. Und das bei Bürojobs.
Mit einer solchen Denkweise ist es natürlich nicht verwunderlich, dass sich die Maßstäbe bis hin ins Absurde verschieben. Warum soll denn dann der Hartz-IV-Empfänger nicht mehr fordern? Die anderen arbeiten bei der vorgenannten Belastung ja auch nicht!
Wie will man vor dem Sozialdemokratismus und Sozialismus in den anderen Parteien Deutschlands glaubwürdig warnen, wenn sich Mandatsträger der eigenen Partei für die Sozialdemokratisierung der FDP einsetzen?
Herr Lindner? Wäre es nicht Zeit einzuschreiten? Der Dahrendorfkreis ist so notwendig wie eine Chlorakne hübsch ist.
Und heute Abend sagt Rainer Brüderle bei Anne Will, dass wir keinen Kapitalismus haben sondern eine soziale Marktwirtschaft. Aha. Die Linke denkt nach über Wege zum Kommunismus und unser Wirtschaftsminister denkt sich eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus. Mal abgesehen von den diversen Interpretationen für die genannten Gesellschaftsmodelle, scheint die FDP den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Herr Lafontaine, den ich das erste Mal in dieser Talkshow mit dem Rücken zur Wand erlebt habe, konnte sein Glück kaum fassen.