Die FDP scheint sich in Umfragen inzwischen stabil auf eine Zitterpartie um den Wiedereinzug in den Bundestag eingependelt zu haben. Das klingt fieser als ist. Ich bin jetzt ziemlich genau 15 Jahre Mitglied dieser Partei (auf Mitleidsbekundungen bitte ich an dieser Stelle zu verzichten, die waren schon in den 2000er Jahren so inflationär wie langweilig) und gefühlt sind solche Werte schon immer der Normalzustand gewesen.
Die Wirtschaftswoche feiert angesichts der vergleichsweise guten Werte in einem aktuellen Artikel diese „neue“ FDP und erklärt uns, dass die „alte“ (also die von 2013) unter anderem aus diesen Gründen ganz furchtbar gewesen sei:
„Sie sprach sich gegen den Mindestlohn und die Quote aus, gegen den Sozialstaat und seine Bürokratie, gegen Minderleister und grüne Bevormunder, gegen leistungslose Einkommen und natürlich auch gegen die Verfolgung von Steuerflüchtlingen.“
Davon treffen nun einige Punkte leider auf die alte FDP so wenig zu wie auf die neue. Damals wie heute ist man in der FDP nämlich für Mindestlohn, für Sozialstaat und natürlich auch für Verfolgung von Steuerhinterziehern. Anderes, wie „gegen Minderleister“, spiegeln eigentlich nur die Sicht des linken Mainstreams auf die FDP, sicher aber nicht ihr Programm (auch nicht in der Vergangenheit) wieder.
Der restliche Artikel klingt (aus FDP-Sicht) einigermaßen gut und vielversprechend. Es wird aber dabei schmerzhaft eines sehr klar: Inhaltlich ist einfach immer noch nicht viel passiert und dieser „Relaunch“ war bisher nichts als PR.
Nun ist PR nicht unwichtig und auch, wenn man die neuen Partei-Farben geschmacklich nicht unbedingt mögen muss, scheinen sie immerhin ihren Zweck zu erfüllen. Falls das genügt, damit die Leute der FDP die „werteorientierte Reformpartei,“ wie Bundesvorsitzender Lindner sie nennt, (ein Label, das allerdings auch auf die FDP vor 2009 zugetroffen hätte) abkaufen, ist das ja schön.
Wenn ich aber Lindner-Zitate wie „Wir sind nicht pro Business, sondern pro Markt“ lese, dann müssen eben mindestens Apothekerprivilegien, Zwangskammern und Fernsehgebühren aus den Programmen verschwinden, bevor ich das ernst nehmen mag. Ebenso liest es sich zwar ganz nett, dass die FDP nun endlich gegen die Rettung von Banken ist. Nur: Wer soll das glauben, wo sie doch vor 2009 theoretisch durchaus auch dagegen gewesen ist, kaum an der Macht aber dann plötzlich mit wehenden Fahnen dafür? Geldsystemkritik wird vom Bundesvorsitzenden überdies bis heute als theoretische, libertäre Spinnerei abgetan. Wie dieses Geldsystem ohne Bankenrettungen dauerhaft am Leben erhalten werden soll, müsste er dann aber irgendwann mal erklären.
Bei allen Fortschritten der FDP in den letzten zwei Jahren, die ich gar nicht kleinreden will, sind da für mich noch viele inhaltliche Fragen offen. Es mag sein, dass die dem Wähler egal sind und vielleicht spielen sie auch deswegen in der Partei nach wie vor keine Rolle. Aber das Konzept „Hübsch verpackte Leerhülle“ hatte die Partei bekanntlich dorthin gebracht, von wo sie seit zwei Jahren versucht, wegzukommen. Wenn sich die Strategie darin erschöpft, das einfach nochmal zu versuchen, wäre das so enttäuschend wie erwartungsgemäß.
Nach derzeitigem Stand könnte der Wiedereinzug in den Bundestag also tatsächlich klappen. Aber was die FDP dann tut und wofür und wogegen sie stünde, bleibt unklar. In dieser unseligen Praxis bleibt die FDP sich leider treu.
Immerhin nennt die FDP sich jetzt nicht mehr offiziell „Die Liberalen“. Das kann man als Beitrag zu mehr Aufrichtigkeit durchaus positiv werten.
Der Schnaas halt wieder. Der weiß doch schon seit Jahren ganz genau, wie eine liberale Partei auszusehen hätte. Also eine des eigenartigen Schnaas-Liberalismus. Was der zu diesem Behufe schon alles für Strohmänner gebaut hat…
„Apothekerprivilegien, Zwangsverkammerung und Fernsehgebüren“
Eigentlich kann ich dieses Rumreiten auf den angeblichen Apothekerprivilegien nicht mehr ernst nehmen: jedes Architektenbüro wird wie selbstverständlich von einem Architekten geleitet (und befindet sich häufig im Besitz desselben). Jede Anwaltskanzlei befindet sich im Besitz von Anwälten, ebenso nahezu jede Arztpraxis. Aber bei Apotheken ist das dann sehr schlimm, wenn Apotheken im Besitz von Apothekern sind, oder wie? Oder ist das einfach nur ein toller Kampfbegriff gegen einen Berufsstand, der eben in der Öffentlichkeit unbeliebt ist, , mit dem man Punkte sammeln kann?
Ich bin ja auch gegen das Fremd- und das Mehrbesitzverbot, erkenne aber an, dass man auch gute Gründe dafür finden kann. Gute Gründe dagegen auch – nur ist ein bloßes Rumreiten auf angeblichen „Apothekerprivilegien“ nicht wirklich ein guter Grund.
Vielleicht hätte ich den Punkt etwas mehr ausformulieren oder ein anderes Beispiel wählen sollen („Anwaltsprivilegien“ wie zum Beispiel der mangelnde Wettbewerb durch einheitliche Gebührenordnungen zum Beispiel) aber nur zur Klarstellung: Dass ein Apotheker Chef einer Apotheke ist und kein Diplomkaufmann finde ich den eher unwichtigen Teil der Privilegien. Dass ich zu einer Apotheke muss, um ein Rezept einzulösen, dass jede Drogerie und eigentlich jeder Supermarkt einlösen könnte ist eines der Probleme, die ich dort sehe. Meine kleine Aufzählung sollte keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern mir begegnen dazu leider immer wieder weitere Beispiele.